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Christine Garelly
Wenn ich rede
»An einem feuchtheißen Sommertag gebar Mutter
einen Kohlkopf. Stolze 16 Kilogramm schrie sie sich
damals aus dem Leib. Zur Überraschung der Anwesenden
rutschte noch ein zweiter Balg hinterher. Elena holte
sogleich mit der Kehrschaufel aus, um ihn mit einem
wütenden Blick im Mülleimer zu vergraben.
»So ein häßliches Ding!« schimpfte
sie aufgebracht.
»Aber nicht doch!« stöhnte Maria und
wies mit der Spitze ihres Fingers auf mich: »Seht
doch nur, es lebt!«
Den Kohlkopf hielt Mutter in einer kühlen Ecke
unserer Küche unter einem Tuch versteckt. Dennoch
verfaulte dieser wenige Wochen später, während
ich dagegen überlebte.«
Mit poetischer Bösartigkeit entwirft Christine
Garelly skurrile Stadtszenarien und Höllen ländlicher
Idylle, bevölkert von monströsen Mißgeburten,
Scheusalen und Schönheiten. Bitterernst und hinterhältig
komisch entfalten sich schaurige Dorfgemeinschaften,
seltsame Lieben und abwegige Bestiarien. Mensch und
Welt treffen sich in immer wieder neuen, verblüffenden
bis erschreckenden Konstellationen.
Von traurig bis garstig, lyrisch oder lapidar
»Wenn ich rede«, 60 Erzählungen, Stories
und Fragmente mit 30 Illustrationen der Autorin.
Christine Garelly, Autorin, Kunststudentin, Initiatorin
literarischer Internetprojekte und Aktivistin der Hamburger
Literatur-Underground- und Spoken-Word-Szene, starb
im Alter von 31 Jahren, als im Januar 1998 ein Jaguar
in eine Gruppe Menschen raste, die an der Bushaltestelle
Stresemannstraße warteten.
Christine Garelly
Wenn ich rede
252 Seiten mit 30 Illustrationen ISBN 3-9803433-9-1
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